Übertragung
[p.11] III. Die Musikschule. Ihre Organisation erfuhr im letzten Jahr keine weitereVeränderung, als dass die durch das wachsende Zutrauen des Publikums erhöhte Schülerzahl eine Vermehrung von 2 Klavier- und 2 Violin- Klassen nöthig machte, so dass die Klavierschule von 18 auf 20, die Violinschule von 4 auf 6 Klassen stieg. Die Sologesangschule dagegen verlor eine Klasse wegen Abnahme der Schülerinnnen. Was die Lehrerschaft betrifft, so haben wir den Tod des Hrn. Edele zu beklagen,welcher nach langjährigem verdienstvollem Wirken starb.Hrn. Brassin wurden hierauf sämmtliche Violin-Klassen übertragen. Der Bestand der Anstalt am Schlusse des Schuljahres ist folgender : 1- Klavierschule. Klasse I bis III, unter Hrn.Prof. Franck, mit 2 Schülern und 7 Schülerinnen [9]. Klasse IV bis XI, unter Hrn. Thiele, mit 6 Schülern und 18 Schülerinnen [24]. Klasse XII bis XVIII, unter Hrn. Frantzen,mit 6 Schülern und 15 Schülerinnen [21]. Klasse XIX, unter Hrn. Brassin, mit 3 Schülern [3]. Klasse XX, unter Frau Häfelen, mit 3 Schülerinnen [3]-[60]. \ 2- Violinschule. Klasse I bis VI, unter Hrn. Brassin, mit 24 Schülern [24]. \ 3- Sologesangschule. Klasse I und II, unter Frau Häfelen, mit 4 Schülerinnen [4]. \ 4- Chorgesangschule. Klasse I und II, unter Hrn. Frölich, mit 150 Schülerinnen [150]-[178]. \ Gesammtzahl der Schüler und Schülerinnen : 238.
[p.12] Von dem musikalischen Bildungstand der einzelnen Abtheilungen und Klassen gab die am Schlusse des Jahreskurses an zwei Abenden im grossen Casinosaale veranstaltete «öffentliche Uebung» Zeugniss. Wir glauben nur das allgemeine Urtheil hier zu wiederholen, wenn wir sagen, dass die Anstalt auf Grundlage ihrer klassischen Richtung, ohne gerade desswegen gediegene Compositionen der modernen Musik auszuschliessen, sich ruhig aber sicher und fest entwickelt und zu immer bessern Leitungen befähigt. Seit dem letzten Jahr zeigten sich bedeutende Fortschritte, und mit besonderer Anerkennung erwähnen wir die recht erfreuliche Entwicklung der Violinschule.
Am ersten Abend spielten und fangen die untern und mittlern Klassen, und obgleich das Programm mit seinen 62 Nummern die Zeit von 6 bis 10 1/2 Uhr in Anspruch nahm, so ermüdete doch das sehr zahlreich versammelte Publikum nicht, sondern hielt aus bis zum Schluss und erfreute sich ebenso an den schüchternen Anfängen der Allerkleinsten, wie an dem schon sehr vorgerückten Spiel der Grössern, die schwierige Sätze aus klassischen Compositionen mit und ohne Begleitung von Streichinstrumenten, mit guter Technik und edlem Gefühle vortrugen.
Der zweite Abend, welcher für die obern Klassen bestimmt war, brachte folgendes Programm:
1) Frauen-Chor aus der Oper «Iessonda», mit Orchester begleitung, von Spohr.
2) Duo für 2 Violinen, von Alard.
3) Erster Satz aus einer Sonate für Clavier und Violine, von Mozart.
4) Lied von Cherubini.
5) Erster Satz aus einem Claviertrio, von Mozart.
6) Ariette von Spohr.
7) Satz aus einem Claviertrio, von Hummel.
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8) Lied von Eckert
9) Satz aus einem Claviertrio, von Hummel.
10) Violinconzert mit Orchesterbegleitung, von Biotti.
11) «Ave Maria», Alt Solo mit Frauen Chor, von Kückten.
12) Lied ohne Worte für Clavier, von Mendelssohn.
13) Terzett von Würst.
14) Erster Satz aus einer Claviersonate, von Mozart.
15) Violinconzertino, von David.
16) Erster Satz aus einer Sonate für Clavier und Violine, von Mozart.
17) Serenade für Clavier, von Thalberg.
18) Terzett von Würst.
19) Allegro aus dem Clavierconzert in B, mit Orchester begleitung, von Beethoven.
20) Adagio aus dem Clavierconzert in B, mit Orchester begleitung, von Beethoven.
21) Finale aus dem Clavierconzert in B, mit Orchester begleitung, von Beethoven.
22) Frauen Chor aus der Oper «Vestalin», mit Orchester begleitung, von Spontini.
Die Auswahl dieser Musikstücke legt das Zeugniss für die gediegene und ernste Richtung der Schule ab. Dass auch die Leistungen der Schüler und Schülerinnen recht befriedigend waren und das Interesse der Zuhörer in hohem Grade fesselten, konnte man an der gespannten Aufmerksammkeit erkennen, womit das ganze Auditorium volle 3 Stunden dem schönen Spiel folgte. Lange vor dem Beginne der Aufführung war der Saal, das Vestibüle und die Gallerie voll Zuhörer, so dass mehrere Eltern keinen Platz mehr fanden. Die Direktion bedauert dies und wird künftig Einrichtungen treffen, dass bei solchen Anlässen vor Allem die Eltern und Mitglieder von Behörden bequem Plätze erhalten.
Gestützt auf die seit dem Bestande der Schule gemachten Erfahrungen nahm die Direktion am Schlusse des Jahres eine Revision des Programmes vor und veröffentlichte dasselbe, um die Aufmerksamkeit desjenigen Theiles des Publikums, [p.14] welches sich für die musikalische Bildung unserer Jugend interessirt, auf diese Anstalt zu lenken und mit deren Organisation bekannt zu machen. Mit Ausnahme einiger unwesentlicher Aenderungen, Auslassungen, Zusammenziehungen [2c] weicht das neue Programm nur in zwei Bestimmungen von demjenigen ab, welches im August 1859 veröffentlicht wurde.
Die eine dieser Bestimmungen ist die Erhöhung des vierteljährlichen Honorars für den Violinunterricht von 12 auf 15 Fr. Der Grund für diese Aenberung liegt in dem Umstande, dass nach dem frühern Programme wenigstens vier Schüler zusammen eine Klasse bilden mussten, von jetzt an aber in den untern Klassen höchstens drei, in den obern höchstens vier Schüler zusammen in einer Klasse unterrichtet werden sollen. Die Reduktion der Schülerzahl in einer Klasse liegt im wesentlichen Interesse der Fortschritte der einzelnen Schüler, und die hierdurch nothwendig werdende Vermehrung der Violinklassen rechtfertigt wohl hinlänglich die verhältnissmässig kleine Erhöhung des Schulgeldes. Das Honorar für den Violinunterricht ist im Vergleich zu dem Schulgeld für den übrigen Unterricht in der Anstalt noch immer darum so niedrig gestellt, um die Eltern anzuregen, Kinder dieses für die musikalische Bildung so höchst wichtige Instrument lernen zu lassen.
Die zweite Aenderungen betrifft die Erhöhung des Honorars für den Sologesang von 25 Fr. vierteljährlich auf 30 Fr., weil künftig nicht wie bisher vier, sondern höchstens drei Schüler zusammen den Unterricht erhalten sollen.
Unsere Musikschule ist unter der ausgezeichneten Leitung des Hrn. Professor Franck und der Mitwirkung eines sehr eifrigen und tüchtigen Lehrerpersonals in recht erfreulicher Entwicklung begriffen. Wir empfehlen die Anstalt auch für die Zukunft der freundlichen Unterstützung der Tit. Behörden und Eltern.